Bei Zeitungen und Magazinen bin ich zum Online-Leser geworden. Und deshalb auch zum Konsumenten der Online-Leserbriefe. Das werde ich mir wieder abgewöhnen.

Kann sich jemand vorstellen, dass es Zeiten gab, als man z. B. im (gedruckten) Spiegel zuerst die Leserbriefe las? Da fanden sich regelmäßig welche, die in Sachkenntnis und Sprache manche Journalisten im Hauptteil blass aussehen ließen. Diese Leserbriefschreiber hatten kein Problem damit, ihren Namen und ihren Wohnort anzugeben.

Ich weiß nicht, welches Killervirus die Anonymität in Online-Foren und -Medien eingeschleust hat – vermutlich die Gier auf mehr Publikumsverkehr in den Anfängen des Internets. Jedenfalls hat sich die Freiheit der Anonymität zu einer Art Supermagnet für Geifer, Gift und Galle entwickelt. Da lässt es sich so richtig lustvoll ausschleimen. Im Vergleich dazu sind die vielzitierten Stammtische Orte gehobener Ausdrucksweise und Diskussionskultur.

Das Niveau der AL (Anonyme Leserbriefschreiber) ist unterirdisch. Manche posten ihren bitteren Senf zu wirklich jedem Thema. Es bereitet ihnen keine Mühe, weil die Botschaft immer gleich bleibt: Alles ist Scheiße und jeder, der anderer Meinung ist als ich, ebenfalls. Schuld sind …*

*Einsetzen, wen man an diesem Scheißtag gerade am meisten hasst.

Die Wirkung ist doppelt negativ. Sie macht zum einen auch das Medium schmutzig, das dieser Art von Meinungsäußerung Raum gewährt – und sie schreckt zum anderen Leserbriefschreiber ab, die sich ernsthaft mit einem Thema auseinandersetzen wollen.

Eine positive Funktion hat der gruselige Meinungs-Ausfluss vielleicht: als Druckventil für lebende Zeitbomben. Aber wie viele gefährdete Geister sich hier erst infizieren, lässt sich kaum abschätzen.

Beste Grüße

Peter Bergmann

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